„Köpfchen statt Kohle“ soll ausgeweitet werden – Stadträtinnen: „Ein Quantensprung“ – Projektleiter sieht Chancen für eine bahnbrechende Innovation im Energiemanagement an Schulen

schueler_berichten_03a_webZur Bilanzkonferenz von „Köpfchen statt Kohle“ am 15. April in der Falkplatzschule stießen zwei Welten aufeinander. Hier die erwachsenen Verantwortungsträger – Politiker, Verwaltungsleute, Experten und Schulleiter, dort Fünft- und Sechstklässler aus drei Grundschulen, die bei „Köpfchen statt Kohle“ mitmachen. Was den Schülerinnen und Schüler rhetorisch noch gefehlt haben mag, glichen sie jedoch leicht durch Engagement und Authentizität aus. Als drei Jungs aus der Grundschule am Kollwitzplatz berichteten, dass sie jede Woche dienstags schon um 7 Uhr in der Schule sind, um ihr Energiesparprojekt voranzubringen, ernteten sie verblüfften Applaus. Was mag die jungen Menschen nur motivieren?

Schul-Stadträtin Lioba Zürn-Kasztantowicz hatte Antworten auf diese Frage. „Es ist der Realcharakter der Projekte, die die Schüler besonders motiviert“, stellte sie fest. „Die Vorgaben kommen in diesem Fall eben nicht von Lehrern, sondern von echten Problemen, vor die die Energieprojekte gestellt werden.“ Außerdem steht bei „Köpfchen statt Kohle“ sehr viel praktisches und anschauliches Arbeiten im Vordergrund. Die Schülerinnen und Schüler organisieren Messungen, untersuchen Wärmelecks mit Thermokameras, überprüfen Raumtemperaturen, Luftqualität und Beleuchtungsverhältnisse mit professioneller Messtechnik, die normalerweise an den Schulen nicht vorhanden ist.

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Suchten und fanden die Erfolgsfaktoren von „Köpfchen statt Kohle“ (v.l.n.r.): Baustadträtin Christine Keil, Umweltpolitiker Danny Freymark, Physiklehrer Christian Strube, Schulstadträtin Lioba Zürn-Kasztantowicz, Schulrätin Ilse Rudnick, Bauamts-Ingenieur Jürgen Bornschein

 Dabei stoßen sie auf eine Reihe von konkreten Mängeln in ihren Schulen – undichten alten Fenstern, defekten Thermostatventilen und mangelnden Lüftungsmöglichkeiten, die alle dazu führen, dass Energie unnötig verloren geht und dennoch die meisten Schulräume oft überheizt sind. Wäre „Köpfchen statt Kohle“ eine rein pädagogische Veranstaltung, müsste an diesem Punkt Schluss sein mit der Projektarbeit. Hier aber geht sie weiter, weil die Schüler wissen, wen sie ansprechen müssen, und falls nötig mit Petitionen und Powerpoint-Folien auch ins Rathaus kommen. Bau-Stadträtin Christine Keil ging auf der Konferenz ausdrücklich auf diesen Punkt ein: „Reparaturen und Verbesserungen brauchen Zeit – aber auch Zusammenarbeit und sogar ein bisschen Druck von unten“, stellte sie fest. Sie berichtete: „In den Schüler-Projekten von ‚Köpfchen statt Kohle‘ sind immer wieder – und teilweise in Quantitäten – defekte Thermostatventile entdeckt worden, die natürlich ausgewechselt werden müssen. Neuntklässler der Robert Havemann-Schule waren bei mir und haben u.a. moniert, dass die Heizkörperventile in den Fluren der Schule verstellbar und in der Regel zu hoch eingestellt sind. Sie haben den Antrag gestellt, 98 solche Ventile durch Feststellventile zu ersetzen. Ich gebe gerne zu, dass wir in der Verwaltung schon auch darauf angewiesen sind, solche Anforderungen von der Basis zu bekommen. Und glauben Sie mir: Es nimmt Ihnen auch niemand übel, wenn die Schüler hier nachhaken und ein bisschen Handlungsdruck aufbauen.“

Dass dieser Druck zu Erfolgen führt, konnte auch die gastgebende Schule am Falkplatz bestätigen.130 alte, undichte Kastendoppelfenster weist dieses Schulgebäude noch auf. Die Umweltgruppe untersuchte im Rahmen von „Köpfchen statt Kohle“ die Situation genau, wies den Energieverlust nach und kümmerte sich sogar um den Nachweis einer wirksamen Abdichtung, die für alle Fenster 20.000 Euro gekostet hätte. Dieses Geld hätte die Schülergruppe für die Fensterabdichtung auch bekommen, bestätigte Christine Keil, wenn nicht im kommenden Jahr jetzt sogar die ganz große Lösung möglich würde – der komplette Austausch aller Fenster durch neue.

energiemanager_information_01_webDass bauliche und technische Verbesserungen ein wichtiges Kriterium für die Schulen sind, um auch Projektarbeit der Schüler zu unterstützen, bestätigte der Schulleiter der Homer-Grundschule, Uwe Blachnik (Bild oben zusammen mit Viertklässlern bei einer „Köpfchen statt Kohle“-Information in der Schule). „Wenn wir sehen, dass das Ganze nicht nur auf die Beschäftigung unserer Schüler und Schülerinnen hinausläuft, sondern parallel dazu auch reale Verbesserungen der Situation möglich sind, macht das Sinn“, stellte er fest. Die Homer-Grundschule beteiligt sich bereits im dritten Projektjahr und mit stetig wachsender Intensität an „Köpfchen statt Kohle“. Gleichzeitig wurde vor kurzem aber auch die Hälfte der maroden alten Fenster an der Schule ausgetauscht.

Ein weiteres Erfolgsgeheimnis von „Köpfchen statt Kohle“ verriet Jürgen Bornschein, der als Ingenieur in der Pankower Hochbauverwaltung das Projekt mit auf den Weg gebracht hat und betreut. Bei „Köpfchen statt Kohle“ verfolgt man einen konsequent kooperativen Ansatz. Bornschein bekräftigte, wie außergewöhnlich es sei, dass über lange Zeit mehrere Ämter und Behörden so eng zusammenarbeiten. Schulamt, Bauamt und Senatsbildungsverwaltung haben bei „Köpfchen statt Kohle“ einen Projektbeirat gegründet, der sich alle Vierteljahre trifft und dabei offen über alles redet, alle Probleme auf den Tisch legt und Entscheidungen trifft oder vorbereitet. Auch die beiden externen Dienstleister – der pädagogische und der technische – sind dabei eingebunden, so dass auf kürzesten Wegen agiert werden kann.

zeugnisvergabe03a_webSchulrätin Ilse Rudnick, die als Vertreterin der Senatsverwaltung für Bildung in das Projekt und den Beirat einbezogen ist, bestätigte diese Einschätzung. Die Erfolgsvoraussetzungen von „Köpfchen statt Kohle“ seien „Kommunikation, Kommunikation und Kommunikation“. Auf allen Ebenen – der politischen und der Verwaltungsebene, der innerschulischen und öffentlichen – sei im Projekt eine intensive Kommunikationsarbeit gemacht worden, wie sie normalerweise nicht stattfinde. Mit den beiden zuständigen Bezirksstadträtinnen war sie sich einig, dass hauptsächlich darin der Grund dafür liege, wenn man im Bezirk Pankow einhellig der Meinung sei, dass mit „Köpfchen statt Kohle“ ein „Quantensprung“ erreicht worden sei. Beide Stadträtinnen verkündeten den Teilnehmern der Konferenz deshalb, dass im Bezirk der politische Beschluss gefallen sei, „Köpfchen statt Kohle“ nicht nur fortzuführen, sondern auch auszuweiten. Das bedeutet, dass sowohl die Projektlaufzeit, die seinerzeit nur auf zwei Jahre festgelegt war, deutlich verlängert wird, um nachhaltigere Effekte zu erzielen – als auch die Ausweitung über die bisher beteiligten 14 Schulen hinaus, wobei auf der Konferenz von künftig 50 Pankower Schulen die Rede war. (Unser Bild oben zeigt Ilse Rudnick bei der Verleihung des „Energiemanager“-Zertifikats an Julienne Löbe aus der 5c der Homer-Grundschule.)

Christian Strube, der als Physiklehrer am Havemann-Gymnasium an der „Köpfchen statt Kohle“-Konferenz teilnahm, wünschte sich, dass diese Ausweitung auch die Oberschulen stärker berücksichtige. Bisher waren bis auf zwei Ausnahmen nur Grundschulen an „Köpfchen statt Kohle“ beteiligt. Das Problem, das Strube sieht, ist der höhere Lehrplan-Druck in den Sekundarschulen und Gymnasien. Für die bevorstehende Überarbeitung der Rahmenlehrpläne wünscht er sich deshalb, dass das Thema „Energie“ stärker berücksichtigt wird. „Dann hätten wir den zeitlichen und personellen Spielraum für die Energieprojekte“, stellte er fest. Ilse Rudnick versprach, diesen Gedanken in die Senatsverwaltung zu tragen.

Die Ausstrahlung, die „Köpfchen statt Kohle“ inzwischen als neues Modell der Energiebildung und der Einbindung der Nutzer öffentlicher Gebäude in ein nachhaltiges Energiemanagement hat, bewies Danny Freymark. Der umweltpolitische Sprecher der CDU im Abgeordnetenhaus verfolgt die Arbeit von „Köpfchen statt Kohle“ bereits seit einiger Zeit und er hat das Projekt durch Schulbesuche auch bereits von der praktischen Seite kennengelernt. Nun möchte er es in seinen Heimatbezirk Lichtenberg exportieren und ist davon überzeugt, eine parteienübergreifende Zustimmung dafür zu bekommen.

Am Tag nach der Bilanzkonferenz war Projektleiter Richard Häusler bei der Berliner Energieagentur eingeladen, um vor Energiebeauftragten der Berliner Bezirke über „Köpfchen statt Kohle“ zu referieren. Die angeregte Diskussion in diesem Gremium, die sein Bericht auslöste, hat ihn in der Auffassung bestärkt, dass im Rahmen von „Köpfchen statt Kohle“ eine Innovation gelungen sei, die bisherige Modelle der Nutzerintegration in das öffentliche Energiemanagement übertreffe. Im Gegensatz zu den früheren „Fifty-/Fifty-Projekten“, bei denen Schulen die Hälfte der durch verhaltensbezogene Maßnahmen eingesparten Energiekosten ausbezahlt worden sei, setze „Köpfchen statt Kohle“ erfolgreich auf eine intrinsische, keine finanzielle Motivation der beteiligten Schulen. Den Clou der Innovation sieht Richard Häusler jedoch in der Idee, die Schüler und Schulklassen direkte Verantwortung für die Betreuung und Optimierung der zentralen Einzelraumsteuerung zu geben, die in vielen Schulen die manuell verstellbaren Heizungsthermostate abgelöst hat. „An dieser Stelle verbinden sich Technik und Nutzerbeteiligung zu einer wirklich nachhaltigen Praxis“, ist der Projektleiter von „Köpfchen statt Kohle“ sicher. Die notwendige Qualifizierung von Schülern ab der 4. Klasse zu „Energiemanagern“ sei ein echter Beitrag zum naturwissenschaftlichen Lernen ebenso wie zur Einübung sozialer Kompetenzen und zur Partizipation.

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 Hier präsentieren sich einige qualifizierte junge „Energiemanager“ mit Zeugnis, zusammen mit – v.r.n.l. – Ilse Rudnick, Lioba Zürn-Kasztantowicz und Christine Keil

Auf der anderen Seite böte das Konzept, das innerhalb des „Köpfchen statt Kohle“-Programms unter dem Namen „Klasse Klima“ figuriert, die begründete Chance, Einsparungspotenziale auch dauerhaft zu sichern. „Handthermostate werden immer wieder verstellt und letztlich fühlt sich keiner verantwortlich“, so Häusler. Optimierte Einstellungen am Heizungscomputer, die mit den Nutzerbedürfnissen jedes einzelnen Klassenraums abgestimmt sind, bleiben aber dauerhaft bestehen, vermutet er. In drei Grundschulen wurde das Konzept in diesem Winter erfolgreich umgesetzt, es könnte also ausgeweitet werden. Wenn es nach Richard Häusler ginge, sollten die künftigen „Köpfchen statt Kohle“-Aktivitäten alle ca. 25 Schulen mit zentraler Einzelraumsteuerung für die Heizung in Pankow einbinden. Außerdem solle man prüfen, wie alle anderen Schulen Schritt für Schritt ebenfalls solche Steuerungssysteme bekommen könnten. Mit „Klasse Klima“ habe man eine „echte Innovation an der Schnittstelle zwischen Mensch und Technik“ gefunden, behauptet der Diplomsoziologe Richard Häusler, die zur Energiewende passe und mit der jungen Generation auch diejenigen erreiche, „die einmal ganz ohne fossile Energien auskommen“ müssten.

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Der Fünftklässler Silvan Aras drückt die Coolness und Kompetenz der jungen Energiemanager bei „Köpfchen statt Kohle“ aus

Über Richard Häusler

Projektleiter des Projekts "Köpfchen statt Kohle" im Auftrag des Bezirksamts Pankow
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Eine Antwort zu „Köpfchen statt Kohle“ soll ausgeweitet werden – Stadträtinnen: „Ein Quantensprung“ – Projektleiter sieht Chancen für eine bahnbrechende Innovation im Energiemanagement an Schulen

  1. Manfred schreibt:

    Vielen Dank an den Projektleiter, der dieses Projekt betreut hat. Nur dank der regen Beteiligung des Projektleiters konnte es realisiert werden 🙂

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