Sisyphos-Erfahrung für Grundschüler – Lüftungswettbewerbe en vogue – Junior-Energieberater beziehen Headquarter

Überraschung nach den Winterferien: In der Grundschule unter den Bäumen trauten die jungen Energiemanager ihren Augen nicht. Seit Schuljahresbeginn im Herbst hatten sie nach und nach im Heizungscomputer alle Klassenräume überprüft und die Einstellungen angepasst. In erster Linie ging es den Schülerinnen und Schülern darum, die tatsächliche Raumbelegung bei den Heizzeiten am Heizungsrechner abzubilden. Außerdem hatten sie sich die Mühe gemacht, auch rund um die großen Hofpausen der Heizung zu sagen, dass dann für eine gute halbe Stunde keine Wärmeenergie in die Klassen gepumpt werden muss. Und schließlich hatten sie auch besonders hohe Warmtemperaturen über 22 Grad korrigiert.

Als die Energiemanager aber nach der Winterferienwoche mal wieder den Heizungscomputer einschalteten, um nach dem Rechten zu sehen, waren alle Räume wieder durchgehend von 7 bis 16 Uhr „rot“, das heißt, sie wurden ohne Ansehen der tatsächlichen Belegung durchgängig beheizt. Wie konnte das sein? Zuerst hatten die Energiesparer den Hausmeister im Verdacht. Da sie zu ihm aber ein gutes Verhältnis haben und Energiemanager und Hausmeister in dieser Schule bisher immer zusammengearbeitet haben, wurde ein Emissär losgeschickt, um den Hausmeister zu befragen. Die Auskunft, mit der er zurückkam: Es sei eine technische Umstellung an der Heizanlage erfolgt und deshalb seien auch die Regeleinstellungen für die Räume alle auf den Standard zurückgesetzt worden. Einen Standard, von dem die jungen Energiemanager wissen, dass er gleichbedeutend mit struktureller Energieverschwendung ist. Jetzt müssen die Schülerinnen und Schüler sich also jede Woche in der Dreiviertelstunde, in der sie sich zur Projektarbeit treffen, mühsam wieder für jeden Raum die schon einmal vorgenommenen Belegungsplan-Anpassungen wieder eingeben. Sisyphos lässt grüßen.

Gleich in vier „Köpfchen statt Kohle“-Schulen laufen derzeit Lüftungswettbewerbe, die zum Teil sogar alle Klassen einer Schule umfassen. Das Prinzip ist zwar überall gleich, dennoch passen die Schüler die Wettbewerbe an die jeweilige Situation und ihre eigenen Ressourcen an. Deshalb ist jeder Wettbewerb ein bisschen anders. Wir zeigen die Unterschiede:

In der Grundschule unter den Bäumen haben sich die Energiemanager für eine aufwendige individuelle Rückmeldung an jede Klasse entschieden. Nachdem in allen fünften und sechsten Klassen für eine Zeitlang Datenlogger aufgestellt worden waren, die den Schülern und Lehrkräften der Klasse die Kohlendioxid-Konzentration in der Raumluft anzeigten und außerdem die CO2- und Temperaturwerte alle fünf Minuten aufzeichneten, hatten die Energiemanager genügend Daten, um anhand der Diagramme jeder Klasse für eine ganze Schulwoche auszuzählen, wie aktiv jeweils gelüftet wurde und wie erfolgreich die Luftqualität unter 1.500 oder gar 1.000 ppm gehalten werden konnte. Tatsächlich gab es eine Klasse, die sehr aufmerksam war und oft lüftete, allerdings war die Luftqualität dennoch nicht ganz so gut wie in einer anderen Klasse, wo zwar weniger oft gelüftet worden war, aber andere Faktoren dazu beitrugen, dass die Luftqualität besser war als in den meisten anderen Klassen. Anhand der Auswertungskurven konnten die Energiemanager auch ablesen, wo Fenster nur gekippt worden waren – was für die Luftqualität wenig bringt, aber Energie verschwendet. Und sie haben beobachtet, dass eine große Lüftung vor Unterrichtsbeginn nichts bringt, wenn im weiteren Verlauf dann die Fenster nicht mehr angefasst werden. Weil jede Klasse auf diese Weise ein eigenes Verhaltensmuster zeigt, fertigten die Energiemanager individuelle Erklär-Poster für jede Klasse an, die sie anschließend bei Klassenbesuchen erläuterten und in der Klasse ans Mitteilungsbrett hefteten. Die fünf Feedbackposter gibt es als PDF im Download-Bereich dieser Website.

Die Energieaktivisten der Schule am Falkplatz hatten den Ehrgeiz, die gesamte Schule – sie gehört zu den größten Grundschulen im Berliner Bezirk Pankow – in den Wettbewerb einzubeziehen. Um die Aufgabe bewältigen zu können, wurden die Messgeräte in drei Wellen in die 27 Klassenräume gebracht. Jede Welle umfasste drei Wochen Messung, wobei die Energiemanager den Klassen jeweils auch ein Messgerät mit besonders großer CO2-Anzeige und Ampelfunktion überließen. Der zusätzliche Datenlogger diente im Hintergrund nur der Messwertaufzeichnung. Die Schule am Falkplatz führt den schulweiten Lüftungswettbewerb bereits zum zweiten Mal durch. Inzwischen sind alle Klassen dauerhaft mit dem CO2-Messdisplay ausgestattet, so dass die Hoffnung besteht, am Falkplatz die erste „Köpfchen statt Kohle“-Schule mit einem optimalen Lüftungsmanagement zu bekommen. Was an dieser Schule teilweise allerdings Probleme bereitet, sind schwer zu öffnende oder mit Schlössern gesicherte Fenster. Auch diese Probleme lassen sich jedoch lösen, sind die engagierten Fünft- und Sechstklässler, die um Energieprojekt mitarbeiten, überzeugt.

In der Carl-Humann-Grundschule ist „Köpfchen statt Kohle“ im Lebenskunde-Unterricht angesiedelt. Vor zwei Jahren begann eine vierte Klasse mit dem Energieprojekt und ist mitgewachsen, so dass die jetzigen Sechstklässler sich auch zutrauten, in diesem Winter einen Lüftungswettbewerb zu veranstalten, der die ganze Schule einschließt. Um alle Klassen zu bewältigen, wurde auch hier in zwei Phasen vorgegangen. Zunächst stellten die Energiemanager die Mess- und Anzeigegeräte in den vierten bis sechsten Klassen auf, eine Woche später in den unteren drei Klassenstufen. In allen Klassen erläuterten sie ihren Mitschülern, worum es geht, und stellten fest, dass an dieser Schule der Wettbewerbsgeist besonders hoch ist. Die Lebenskunde-Lehrkraft schickte uns einen Schnappschuss, der zeigt, wie Schülerinnen mit Besen und Stuhl eine Tür regelrecht verbarrikadieren, damit niemand das Querlüften unterbricht.

Kreativ gingen die Schüler/innen der Georg-Zacharias-Schule zu Werk. Sie erarbeiteten sich zunächst Modellvorstellungen von dem Problem schlechter Raumluft und bastelten Sauerstoff- und Kohlendioxid-Moleküle zum Anfassen. Tatsächlich ist es ja verblüffend, dass schon ein Anteil von 0,3 Prozent Kohlendioxid in der Atemluft starke Auswirkungen auf unser Lern- und Konzentrationsvermögen hat. Während 0,1 Prozent (= 1.000 ppm) noch als gute Luft gelten, sollte ja schon bei 0,15 Prozent gelüftet werden und sind 0,3 Prozent (= 3.000 ppm) in Anzeigegeräten für die Luftqualität oft schon die Obergrenze der erfassbaren Messwerte. Denn spätestens dann muss unbedingt gründlich gelüftet werden, damit Schüler und Lehrkräfte nicht schläfrig werden.

Die Vernetzung der ganzen Schule mit CO2-, Temperatur- und Luftfeuchte-Sensoren und die Bereitstellung der Daten in Echtzeit haben die Schüler des Robert-Havemann-Gymnasiums vor. Die Gruppe besteht aus Schülern von der siebten bis zur zehnten Klasse, manche sind schon das dritte Jahr im Projekt. Deshalb werden die Projekte auch immer ehrgeiziger. Um die große Schule temperatur- und lüftungstechnisch abzubilden, nutzt die Projektgruppe Einplatinen-Computer (Raspberry Pi), die über ein Mini-WLAN mit Sensoren verbunden werden können. Das Grundprinzip dieser Technik und auch die Visualisierung mit einer Browseroberfläche und einer Smartphone-App haben die Schüler längst verstanden. Die Herausforderung liegt jetzt im Aufbau eines durchgehenden WLAN in dem großen Stahlbetonbau mit verschachtelten Fluren. Die Organisationsleistung ist anspruchsvoll, so dass die Schüler sich bis Ostern erst einmal das Ziel gesetzt haben, das erste Obergeschoss vollständig ans Messnetz zu bringen.

Um nicht nur einmal in der Woche bei den offiziellen Projektmeetings daran arbeiten zu können und auch um Platz für Hardware und Equipment zu haben, hat Schulleiter Thomas Josiger den Energiemanagern seiner Schule jetzt einen eigenen kleinen Raum im Erdgeschoss zur Verfügung gestellt. Der Raum hat außerdem den Vorteil, rundum nur aus Glaswänden zu bestehen und an einem der meistfrequentiertem Flure der Schule zu liegen, so dass ein Monitor mit den aktuellen Messdaten an dieser Stelle leicht für alle Schulhausnutzer sichtbar aufgestellt werden kann. Derzeit hat der Monitor noch Normalmaß; sobald einer oder mehrere Flure dargestellt werden sollen, wird ein größerer Monitor benötigt. Unser Foto zeigt einen Teil der Projektgruppe vor ihrem „Headquarter“, an dessen Scheibe inzwischen auch eine professionelle Firmierung angebracht worden ist.

WEITERE KURZNACHRICHTEN

Zum ersten Mal veranstaltet „Köpfchen statt Kohle“ in diesem Schuljahr öffentliche Energietage. Am 15. Mai (nachmittags) und 16. Mai (vormittags) richtet sich im Pankower Kulturzentrum WABE ein vielfältiges Mitmach-Programm an Schüler/innen und Lehrkräfte. Mehr Information zu Ablauf und Themen bietet die Programmübersicht im Download-Bereich. 

Mit einer „Dienstmarke“ sind die jungen Energiemanager in der Grundschule unter den Bäumen (Berlin-Blankenburg) ab jetzt unterwegs. Damit sind Rechte und Pflichten verbunden. Auch ganze Schulklassen, die z.B. beim Lüftungswettbewerb gewonnen und ein herausragendes Energiebewusstsein bewiesen haben, erhielten die Marke für den Schlüsselbund. Alle „Köpfchen statt Kohle“-Projektgruppen wollen ja Breitenwirkung in die ganze Schule hinein und eine hohe Beteiligung erzielen. Die „Dienstmarken“-Idee, die in der Blankenburger Grundschule entstanden ist, ist eines der Instrumente dafür.

In der Grundschule am Sandhaus entdecken zwölf Schülerinnen und Schüler gerade ein neues Format für die Beschäftigung mit Energiefragen – den Podcast. Zusammen mit Podcast-Expertin Brigitte Hagedorn sind sie mit der Vorbereitung der ersten Ausgabe ihres „Energieradios“ fast fertig. Die Podcast-Beiträge werden künftig hier im Weblog von “Köpfchen statt Kohle“, aber auch auf einer eigenen Website www.energieradio.de zu hören sein. Auf der Energieradio-Website gibt es dazu natürlich noch weitere Informationen rund um das Thema. Das Motto ist: „Überall ist Energie“.

Es ist gar nicht so leicht, den Mitschülern, aber vor allem auch den Lehrkräften die richtige, sprich: gleichzeitig effektive und energieeffiziente Lüftungstechnik beizubringen. Da die Energiemanager am Robert-Havemann-Gymnasium sich schon eine Weile mit dem Problem befassen, wollen sie jetzt eine Infokampagne in allen Klassen starten. Mit einem appellativen Poster werden sie in den kommenden Wochen die Klassen aufsuchen und dafür werben, dass „Kippen nicht hilft“. Das Poster ist als PDF auch im Download-Bereich des Weblogs verfügbar.

Mehr oder minder nebenbei eignen sich die Schülerinnen und Schüler der „Köpfchen statt Kohle“-Projekte natürlich eine Menge Grundlagenwissen über Energiearten, Energieumwandlung und Energietechnik an. Zuweilen ergeben sich auch zeitliche Möglichkeiten, etwas tiefer in die Grundlagen einzusteigen. Vor allem erneuerbare Energien sind dann oft das Thema. An manchen Schulen hält das Betreuerteam von „Köpfchen statt Kohle“ auch ganze Projekttage und Projektwochen dazu ab, oft in Zusammenarbeit mit dem „Energiezentrum“ im Robert-Havemann-Gymnasium. Unser Foto stammt von der Grundschule im Moselviertel.

Über Richard Häusler

Projektleiter des Projekts "Köpfchen statt Kohle" im Auftrag des Bezirksamts Pankow
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