Vom Energiesparen zum Pissbecken gibt es eine Verbindung. Die Fünftklässler, die derzeit im Rahmen des Lebenskunde-Unterrichts an der Carl Humann-Schule ein „Köpfchen statt Kohle“-Projekt umsetzen, haben diese Verbindung gefunden. Ausnahmsweise wollten sich die Schülerinnen und Schüler nicht mit der Situation in den Klassenräumen befassen, sondern mit den Fluren, Treppenabsätzen und Toiletten ihrer Schule. Auch für diese Räume gibt es Temperatur-Richtwerte. Bei Fluren und Toiletten geht man von 15 Grad aus. In nicht wenigen Schulen werden allerdings Flurbereiche auch als Lernort benutzt und müssen dann auf 20 Grad beheizt werden. Die Projektgruppe der Carl Humann-Schule untersucht deshalb genau, welche Flure wie genutzt werden. Auf jeden Fall wollen sie sich dafür einsetzen, dass die Heizkörper auf den Treppenabsätzen ganz abgeschaltet werden.
Das überraschendste Ergebnis in der Recherchephase ihres Energieprojekts erbrachte die Untersuchung der Toiletten. Vor allem in den Jungen-Toiletten stehen nämlich permanent die Fenster auf Kippstellung und die Heizungsthermostate sind soweit aufgedreht, dass auch dann noch über 21 Grad in den Toilettenräumen herrschen. Für die jungen Energiesparer ein Ärgernis. Die Fenster müssen aber offen stehen, weil sonst der Geruch in den Jungen-Toiletten zu streng wird. Warum das so ist, fanden die Jungs aus der Energie-Gruppe schnell heraus. Die Pissbecken zum Stehpinkeln sind es nämlich. Denn diese haben keine Spülung. Außerdem sind die Benutzer nicht sehr treffsicher, so dass geruchsintensive Flecken auf dem Boden neben den Urinalen die Norm sind. Um ihren Auftrag zu erfüllen, die Energieverschwendung in ihrer Schule zu verringern, müssen die Fünftklässler also einen Umweg gehen. Sie entwickeln derzeit Pläne, wie man die Urinale loswird. Die Ideen reichen von der Demontage über eine baustellenartige Sperrung bis hin zur Umfunktionierung der Becken als Pflanzentröge oder Kunstobjekte. Nach der Deaktivierung der Urinale kommt aber möglicherweise noch eine weiterer ungewöhnliche Energiespar-Maßnahme an die Reihe – die Umerziehung der männlichen Grundschüler zu Sitzpinklern, damit das Geruchsproblem nicht nur von den Urinalen auf die WCs verschoben wird. Keiner der am Projekt beteiligten Schüler – geschweige denn ihre Lebenskundelehrerin Kathrin Hillers – hätte sich zu Beginn gedacht, auf welche Umwege sie sich begeben müssten, um auch auf den Toiletten für klimafreundliche Verhältnisse zu sorgen.
Auf indirektem Wege für mehr Energieeffizienz sorgen auch die jungen Energiemanager derjenigen „Köpfchen statt Kohle“-Schulen, die sich um die Raumluftqualität, sprich: den CO2-Gehalt in den Klassenzimmern kümmern. Ein Lüftungsmanagement, das im Winter sowohl für angenehme Wärme als auch für gute Luft sorgt und keine Energie verschwendet, gibt es an so gut wie keiner Berliner Schule. Inzwischen spricht sich allerdings herum, dass bei CO2-Werten über 1.000 ppm die Konzentrations- und Lernfähigkeit abnimmt. Deshalb empfehlen Experten, spätestens ab 1.400 ppm Räume zu lüften, in denen Menschen lernen oder arbeiten. Viele Energie-Projektgruppen bei „Köpfchen statt Kohle“ stellen nun in den Klassenzimmern CO2-Messgeräte auf, an denen Schüler und Lehrkräfte die CO2-Werte ablesen und entsprechend reagieren können. Ob die Raumnutzer dieses Angebot wirklich annehmen und auch Möglichkeiten finden, so zu lüften, dass es wirkungsvoll ist und den Unterricht nicht stört, wollen die Energiemanager an der Falkplatzschule derzeit herausfinden. In einer ersten mehrwöchigen Messaktion in allen fünften und sechsten Klassen untersuchten sie den Verlauf der CO2-Belastung. Mit Datenloggern, die neben den Anzeigegeräten für Schüler und Lehrer aufgestellt wurden, wollten sie herausfinden, ob und wie die Klassen es schaffen, möglichst gute Luft zu erreichen. Neben den Messdaten gehen auch Beobachtungen über die Reaktion von Schülern und Lehrkräften in die Bewertung ein. Kurz vor den Weihnachtsferien wurden die Datenlogger in den insgesamt acht Klassen wieder eingesammelt (unser Bild). Die Auswertung und eine Prämierung der erfolgreichsten oder aktivsten Klassen erfolgt nach den Ferien. Anschließend möchten die Schüler die Aktion auch auf die 3./4. und 1./2. Klassenstufen ausdehnen.
Schon jetzt wird deutlich, dass es im Einzelfall eine große Herausforderung darstellt, einen 1.000 ppm-Wert in den Klassenräumen durchgehend zu erreichen. Wie untenstehende Tagesauswertung der Klasse 6c der Schule am Falkplatz zeigt, steigen die Werte auf über 3.000 ppm und bewegen sich in diesem Fall den ganzen Tag über jenseits der 1.400 ppm-Marke.
Auch die mehrwöchige Auswertung für diese Klasse (Grafik oben) zeigt die dauerhafte Belastung mit hohen CO2-Werten während der Unterrichtswoche.
Die Energiemanager sind jedoch zuversichtlich, durch ein intelligentes Lüftungsverhalten die Werte dauerhaft verbessern zu können. Dazu entwickeln sie – wie auf unserem Foto links (aus der Grundschule unter den Bäumen) – Empfehlungen für die Nutzung der Pausen, um effektiv zu lüften. Die Energiemanager nennen allerdings bereits jetzt einige Voraussetzungen, die für ein erfolgreiches Lüftungsmanagement nötig sind:
- In den Klassen müssen dauerhaft CO2- und Temperatur-Messanzeigen vorhanden sein
- Die Fenster müssen (wenigstens zum großen Teil) leicht und vollständig zu öffnen sein; sie sollten möglichst auch von den Schülern geöffnet werden können
- Die Lehrkräfte müssen die Lüftung unterstützen und das Problem der Raumluftqualität ernstnehmen
- In den Klassen sollten unter den Schülern Lüftungsmanager ernannt werden (ähnlich wie es ja auch Dienste für die Tafelreinigung etc. gibt).
Eins ist sicher: Die Raumluftqualität wird künftig immer mehr ins Zentrum der Energiemanager-Aktionen rücken.
Köpfchen statt Kohle“ strahlt inzwischen bis nach Nordrhein-Westfalen aus. „Inspiriert und theoretisch unterstützt“ durch die Pankower Akteure hat am Geschwister Scholl-Gymnasium in Düsseldorf ein dauerhaftes Energieprojekt begonnen. Geleitet wird es von einem Lehrer der Schule, Sebastian Präger, der über einen Berliner Lehrerkollegen von der „Köpfchen statt Kohle“-Methodik erfahren hat. Im letzten Schuljahr startete Präger das Projekt zunächst außerhalb des Unterrichts auf freiwilliger Basis. Schüler einer sechsten Klasse setzten sich während ihrer täglichen Pausenzeiten dafür ein, die Raumtemperaturen im Schulgebäude zu messen und zu dokumentieren. Ihre Ergebnisse überreichten sie Hausmeister Siegfried Karten (Foto), der die Messwerte der Schüler mit den eingestellten Werten im Heizungscomputer abglich. Der Hausmeister stellte danach fest: „Durch die Erkenntnisse der Schüler konnte ich einige fehlerhafte Einstellungen am Programm korrigieren und mehrere defekte Heizelemente feststellen und austauschen.“ Das Düsseldorfer Gymnasium hat wie viele der Pankower „Köpfchen statt Kohle“-Schule eine computergesteuerte zentrale Einzelraumregelung für die Raumheizung.
In diesem Schuljahr nun ist aus der freiwilligen Pausenarbeit eine in den Unterricht integrierte Arbeitsgemeinschaft für Fünft- und Sechstklässler geworden. Das Umweltamt Düsseldorf spendete den aktiven Schülern 14 Datenlogger, um kontinuierliche Temperaturmessungen machen und die Daten systematisch auswerten zu können. Derzeit gibt es Überlegungen, zwischen Pankow und Düsseldorf eine „Köpfchen statt Kohle“-Partnerschaft zu begründen.
NACHWIRKUNGEN
Endlich neue Fenster bekommt die Schule am Falkplatz. Bereits vor drei Jahren haben die Energiemanager dieser Schule vorgerechnet, was es bringen würde, die vorhandenen 140 alten und undichten Kastendoppelfenster sanieren zu lassen (zum Artikel). Von Bezirksstadträtin Christine Keil wollten die Schüler seinerzeit 20.000 Euro für die Maßnahme haben. Einen kompetenten Fensterbauer hatten sie bereits selbst gefunden. Jetzt hat sich die Schulverwaltung für eine noch größere Lösung entschieden: Alle Fenster werden im Rahmen einer großen Sanierungsmaßnahme ausgetauscht. Die Gerüste stehen bereits und die Arbeiten haben begonnen.
Havemann-Gymnasium schaltet das Licht aus. Über zweieinhalb Jahre ist es her, als Schüler der Robert Havemann-Schule die Energieeffizienz ihres Schulgebäudes unter die Lupe genommen haben (zum Artikel). Unter anderem war den Schülern die Dauerbeleuchtung der Schulflure ein Dorn im Auge, die sich nicht ausstellen ließ, auch tagsüber nicht, obwohl durch Fenster und Oberlicht genug Helligkeit ins Haus kam. Jetzt hat dies ein Ende, die großformatigen Wandlampen auf den Fluren lassen sich nunmehr von Hand schalten und brennen nicht mehr permanent.
Am Kollwitzplatz stimmen in Zukunft die Druckverhältnisse. Ebenfalls vor zweieinhalb Jahren gewann die Grundschule am Kollwitzplatz für das Konzept, Schülern Verantwortung für die zentrale Heizungssteuerung zu übertragen, 10.000 Euro beim Schulwettbewerb „Klima & Co“ (zum Artikel). Voraussetzung für die Umsetzung sollte unter anderem ein hydraulischer Abgleich der gesamten Heizanlage sein, damit die Schüler als Energiemanager nicht ständig auf Regelungsprobleme und unlogisches Verhalten der Heizungen stoßen. Mit einem hydraulischen Abgleich werden die Druckverhältnisse im Heizungssystem, die Pumpenleistung und die Ventilquerschnitte so berechnet und eingestellt, dass eine optimale nutzerorientierte Steuerung erst möglich wird. Nun kam die Meldung aus der Bezirksverwaltung: Der hydraulische Abgleich ist berechnet. Für die Umsetzung müsse man jedoch die kommenden Winter- oder Osterferien abwarten, da Schweißarbeiten erforderlich seien, die bei laufendem Heizbetrieb nicht möglich sind.
WEITERE KURZNACHRICHTEN
Klecks-Grundschule heizt durchgehend? Die Energiemanager der Klecks-Grundschule haben versuchsweise in zwei Klassenräumen Temperatur-Datenlogger angebracht, um nachvollziehen zu können, wie die tatsächlichen Raumtemperaturen sind. Eigentlich wollten sie in erster Linie nachprüfen, ob und wie stark die Temperaturen tagsüber während der Nutzungszeiten über der Norm von 20 Grad liegen. Erstaunt waren sie, dass die Messkurve noch etwas ganz anderes offenbarte: Auch nachts und an Wochenenden weisen Klassenräume anscheinend Temperaturen um die 20 Grad auf (siehe Diagramm unten). Dem wollen die Fünftklässler nach den Ferien auf den Grund gehen, indem sie sich die Einstellungen im Heizungsprogramm genauer ansehen. Die gefundene Maximaltemperatur betrug übrigens 24,5 Grad, das gemessene Minimum lag bei 18 Grad, die Durchschnittstemperatur bei 20,8 Grad.)
An der Marie müssen die Energiemanager Geduld haben. Wie einige andere „Köpfchen statt Kohle“-Schulen warten die Energiemanager der Grundschule an der Marie schon lange auf den eigenen Steuerungscomputer für die Heizung. Aus organisatorischen Gründen konnten die Geräte nicht mehr wie geplant bis Ende 2014 ausgeliefert und angeschlossen werden. Doch haben die Fünft- und Sechstklässler die Zeit genutzt. Als eine der ersten Schulen hat sich an der Marie die neue Generation der Energiemanager die Grundlagenkenntnisse angeeignet und die Theorieprüfung absolviert, was mit dem Recht verbunden ist, das „Köpfchen statt Kohle“-Energiemanager-T-Shirt tragen zu dürfen (Foto oben).
Außerdem verfassten Energiemanager bereits den zweiten Artikel für die Schülerzeitung. Der neue Artikel befasst sich mit Wasserstoff. Die Schüler haben die Herstellung von Wasserstoff aus Wasser im praktischen Experiment kennengelernt und mit dem produzierten Wasserstoff Modellautos gesteuert, die in einer Brennstoffzelle aus dem Wasserstoff Strom für den Elektromotor gewinnen. Wie das funktioniert, wird in dem Artikel für die nächste Ausgabe der Schülerzeitung erklärt. Einer der Energiemanager nutzt seine Mitarbeit in dem Projekt auch für eine Arbeit im Fach „Kunst“. Er hat zusammen mit den anderen Energiemanagern deren Wohnhäuser und die Schüler selbst mit der Wärmebildkamera aufgenommen und die Mitschüler gebeten, Antworten auf die Frage aufzuschreiben, was sie selbst zu Haus tun, um Energie zu sparen. Aus den Bildern und den Antworttexten will er jetzt einen Jahreskalender 2015 machen. Die Wärmebildaufnahmen haben einen ganz eigenen Reiz. Unter anderem vermitteln sie eine optisch-ästhetische Vorstellung davon, wie viel wir tun müssen, um in einer „kalten“ Welt zu überleben. Während auf den Menschenaufnahmen die warmen Stellen des Körpers um die 30 Grad Wärme abstrahlen, zeigen die Gebäudeaufnahmen ein ganz anderes Bild – hier sind es nur einige wenige Grad.
An der Paul Lincke-Schule wollen die Energiemanager nicht zum Buhmann werden. Dass die Energiemanager der Paul Lincke-Schule die Heizungseinstellungen der Klassenräume für zu hoch befunden haben, berichteten wir vor kurzem (zum Artikel). Sie haben deshalb die Aktion „Unser 2 Grad-Ziel“ ausgerufen, weil die Heizungen überwiegend 1,5 bis 2 Grad über der 20 Grad-Norm eingestellt waren. (Da das Gebäude inzwischen gut gedämmt ist, gibt es keinen Grund für diese hohen Temperatureinstellungen.) Zu ihrer Aktion haben die Energiemanager auch Informations-Plakate in der Schule aufgehängt (Foto oben). Zeitgleich gab es Beschwerden von Lehrkräften, dass es im 2. Obergeschoss zu kalt sei. Was lag näher, als die Energiemanager zu verdächtigen, sie hätten die Heizung zu niedrig eingestellt? Tatsächlich ist es den Energiemanagern jedoch zu verdanken, dass eine schnelle und direkte Fehlermeldung an das zuständige Ingenieurbüro ging, das umgehend einen Mitarbeiter schickte, der anschließend feststellte: „Ursache für den Fehler war ein Defekt des Trovis-Reglers in der Hausanschlussstation. Der Mischer im Heizkreis 1 wurde falsch angesteuert, was sich zu Wochenbeginn besonders deutlich auswirkte. Die Reparatur ist veranlasst. Zur Überbrückung habe ich den Heizkreis-Mischer aus der Regelung genommen und auf „AUF“ gestellt.“ Der Schulleiter konnte in der anstehenden Dienstversammlung die Ehre der Energiemanager wieder herstellen.