Mittwoch, siebte Stunde, Grundschule am Kollwitzplatz: Von 13 bis 14:30 Uhr bleibt ein Dutzend Schülerinnen und Schüler der 5. und 6. Klassen im Nawi-Raum bei ihrem Lehrer Michael Temme. Dass kein regulärer Unterricht mehr stattfindet, merkt man daran, dass jeder was anderes macht. Während ein paar Schüler die letzten Fragen ihrer „Energiemanager“-Prüfung bearbeiten, sitzen andere am Notebook und beschäftigen sich mit einem neuen Messgerät, das in einen USB-Stick eingebaut ist und die Luftgüte im Klassenraum misst. Wieder andere schauen sich das Übungsprogramm für die zentrale Heizungssteuerung an und klären offene Fragen. „Wieso schließt das Heizungsventil nicht, wenn die Fenster alle für eine Lüftungspause aufgemacht werden? Sollen wir also besser während der Hofpause die Heizung regelmäßig deaktivieren?“ Eine weitere Gruppe von zwei Schülern bereitet eine Powerpoint-Präsentation zu leichtflüchtigen organischen Verbindungen (VOC) vor, sie übersetzen den chemischen Fachausdruck für ihre Mitschüler als „Stinkegase“.
Zwei Mädchen machen einen etwas unglücklichen Eindruck. Sie haben erst die Hälfte der 17 Seiten umfassenden 30 „Energiemanager“-Prüfungsfragen gelöst und keine große Lust, heute den Rest zu bearbeiten. Michael Temme versucht zu motivieren: „Wenn ihr heute schon das Energiemanager-T-Shirt haben wollt, müsst ihr die Prüfung abschließen.“ Glücklicherweise ist „Köpfchen statt Kohle“-Projektleiter Richard Häusler heute mit dabei. Er setzt sich mit den beiden Schülerinnen in eine Ecke und ermutigt sie, durchzuhalten. Bei manchen Fragen tasten sich die Schülerinnen in einem Frage-Antwort-Spiel an die Lösung heran. Als sie fertig sind, bringen sie die Aufgabenblätter stolz zu Michael Temme, der die Aufgaben offiziell korrigiert. In der Zwischenzeit haben andere Schüler schon einen Lüftungsversuch vorbereitet und bevor die Zeit um ist, wird noch einmal getestet, wie lang es bei weit geöffneten Fenstern dauert, bis die CO2-Anzeige auf den Luftmessgeräten im Raum in den grünen Bereich sinkt. Bei dieser Gelegenheit stellt sich heraus, dass es gar nicht einfach ist, die Fenster im Klassenraum schnell zu öffnen, denn die Fensterbretter sind mit allerhand Material zugestellt (siehe Foto oben). Manche Fenster sind sogar mit einem Schloss gesperrt und lassen sich von den Schülern nicht öffnen. Thema fürs nächste Mal…
Die Aussicht auf das “Energiemanager“-T-Shirt kann eine Zusatzmotivation sein – Michael Temme setzt sie bei Bedarf ein
So oder ähnlich geht es in vielen „Köpfchen statt Kohle“-Projekten zu. Mit normalem Unterricht haben sie nichts zu tun. Die Schülerinnen und Schüler verfolgen reale Fragestellungen, gehen mit Messtechnik um und suchen Lösungen, um in ihrer Schule die Energieverschwendung einzudämmen und für gute klimatische Lernbedingungen auch im Winter zu sorgen. Lösungen, die noch niemand wirklich kennt, auch die betreuenden Lehrkräfte nicht. Für die Schüler ist es selbstverständlich, dass sie ständig etwas dazulernen müssen, um den Problemen auf den Grund zu gehen. Die 30 teils recht schwierigen Fragen der „Energiemanager“-Prüfung nehmen sie ohne Murren auf sich, da die Schüler die Prüfung in ihrem eigenen Tempo ablegen können und die Prüfungssituation von den Betreuern auch als Lern- und Übungsgelegenheit genutzt wird. An der Homer-Grundschule hat ein Sechstklässler, der schon länger in den Energieprojekten von „Köpfchen statt Kohle“ mitarbeitet, ganz selbstverständlich und von sich aus die gemeinsame Ergebnisbesprechung des Tests übernommen. Die traditionelle Schüler-Lehrer-Rollenverteilung löst sich also auf und Schüler bekommen die Chance, mehr Verantwortung zu übernehmen als im normalen Schulalltag.
Solche Aspekte haben die Pankower Schulstadträtin Lioba Zürn-Kasztantowicz auf der jüngsten Bilanzkonferenz des Projekts zu der Überzeugung kommen lassen: „Der pädagogische Effekt von ‚Köpfchen statt Kohle‘ sollte meiner Meinung nach noch stärker ausgebaut werden.“ Und die Bezirksverordnetenvorsteherin von Pankow, Sabine Röhrbein, teilte schriftlich mit: „Insbesondere die Einbindung und Gestaltung durch die Schülerinnen und Schüler selbst ist ein großer Pluspunkt, da die jungen Menschen anknüpfend an ihre konkrete Lebenswelt Erfahrungen im schonenden Umgang mit unseren Ressourcen sammeln können.“ Und deshalb wünscht sich die Sprecherin des Pankower Kommunalparlaments, dass „‘Köpfchen statt Kohle‘ künftig noch mehr junge Menschen anspricht und begeistert“.
Ein Theorie- und ein Praxis-Zertifikat bekommen die jungen „Energiemanager“, unterschrieben nicht nur von der jeweiligen Schulleitung, sondern auch von der Schul- und der Baustadträtin sowie der Senatsbildungsverwaltung
Dass die „Energiemanager“ ein offizielles Zertifikat der Schulverwaltung für ihr Engagement bekommen (siehe Bild oben), das auch im Jahreszeugnis gewürdigt wird, beweist den politischen Willen, die Energieprojekte als Teil des pädagogischen Auftrags der Schule zu sehen. Für die beteiligten Schüler ist das zwar nicht entscheidend, aber wie die eingangs geschilderte Praxis zeigt, kann die Aussicht auf ein Plus im Zeugnis durchaus einen zusätzlichen und manchmal entscheidenden Kick geben.
Was aber begeistert die Schülerinnen und Schüler an „Köpfchen statt Kohle“ am meisten? Projektmitarbeiterin Hanna Burckhardt hat die jungen „Energiemanager“ der Homer-Grundschule gefragt. Hier die häufigsten Antworten:
• Weil es toll ist, mal was richtig Wichtiges in der Schule selbst zu steuern…
• Weil wir so der Schule helfen, viel Energie zu sparen – das ist sehr wichtig…
• Weil es Spaß macht und lustig ist…
• Weil ich hier mit echten Messgeräten arbeiten kann…
• Weil es spannend ist…
• Weil es cool ist
• Weil ich spannende Sachen lernen kann…
• Weil ich möchte, dass die Welt – wenn ich irgendwann mal alt bin – immer noch so ist wie heute und nicht verschmutzt und kaputt…
Die Dritt- bis Sechstklässler, die in diesem Winter an der Homer-Grundschule den Einstieg als „Energiemanager“ gemacht haben, wollen ihre Erfahrungen zum Ende des Schuljahres an alle Mitschüler und Lehrkräfte weitergeben. Zu diesem Zweck bereiten sie gerade eine Posterausstellung vor, die außerdem jetzt schon Mitschüler motivieren soll, im nächsten Schuljahr auch „Energiemanager“ zu werden. Denn nach dem ersten Pilotwinter soll im kommenden Schuljahr die Heizungssteuerung systematisch für alle Räume von Beginn der Heizperiode an optimiert werden. Schulleiter Uwe Blachnik will im kommenden Schuljahr deshalb nicht nur eine eigene Informationssäule für die „Energiemanager“-Arbeit im Eingang der Schule aufstellen, sondern auch eine Lehrkraft als zusätzliche Unterstützung der „Energiemanager“-AG gewinnen.