Im Zielkonflikt zwischen Heizen und Lüften – „Köpfchen statt Kohle“-Schulen stellen sich einer neuen Aufgabe

gekipptes_fenster04_webGrundschule unter den Bäumen, im Klassenraum einer 5. Klasse, 12 Uhr. Seit Stunden stehen bereits zwei oder drei Kippfenster offen, obwohl es draußen Temperaturen um den Gefrierpunkt hat. Dass Schüler und Lehrer dennoch nicht frieren, liegt an der Heizung, die mit messbaren 60 Grad Oberflächentemperatur dagegenhält (siehe Foto). Im Rahmen von „Köpfchen statt Kohle“ lernen die 10- und 11-Jährigen gerade am „Energierad“, wie groß die Unterschiede beim Energiebedarf sind, wenn man Licht und Wärme vergleicht. Keiner der Schüler hat Probleme, die Glühbirnen oder die Energiesparlampe und auch das Radio durch Treten auf dem Rad auch über längere Zeit leuchten zu lassen oder für Musik im Unterricht zu sorgen. Aber dann wird auf den Wasserkocher umgeschaltet. Es geht jetzt darum, durch Treten das Wasser in dem Kocher zu erwärmen. Die Ausgangstemperatur steht auf dem Panel des „Energierades“: 19,1 Grad. Los geht’s!  Aber nicht lange. Mit rotem Kopf und auf den Pedalen stehend schaffen die sportlicheren unter den Fünftklässlern gerade mal ein halbes bis ein Grad Celsius. Dass es an diesem Morgen heißes Wasser für den Tee gibt, daran ist nicht zu denken. Nachher dürfen die Schüler auch ausrechnen, wie lange sie brauchen würden, wenn sie auf dem Fahrrad durch Treten 50 Watt erzeugen: In zwei Stunden ununterbrochenen Tretens hätten Sie kochendes Wasser!

energierad03_webAlle 25 Kinder in der Klasse machen begeistert bei dem „Energierad“-Experiment mit. Aber was ihnen nicht auffällt, das sind die dauerhaft gekippten Fenster in ihrem Klassenzimmer. Obwohl sie sogar mit Infrarot-Thermometern die Temperatur der Heizkörper messen. Also kommt die Frage von uns: „Wieso habt ihr ständig die Fenster offen, obwohl gleichzeitig die Heizung auf Hochtouren läuft?“ „Damit es kühler wird“, sagen die einen. „Weil die Luft sonst schlecht wird“, die anderen. „Weiß nicht, das machen wir immer so“, die nächsten. Wie kriegt man es jetzt hin, dass im Gehirn der Schüler die losen Enden zusammenfinden? „Wie findet ihr es denn, dass ihr so viel Wärme zum offenen Fenster hinaus lasst, wenn es doch so viel Energie kostet, diese Wärme zu erzeugen?“

„Na ja, wir könnten ja die Heizung abdrehen, solange wir lüften!“ An sich ein guter Vorschlag. Bis einer sagt: „Aber bei unseren Heizkörpern kann man gar keine Ventile drehen!“ „Wer regelt denn dann die Heizung in eurer Schule?“ „Das macht der Hausmeister, der hat dafür einen Computer.“ Stimmt. An dieser Schule gibt es eine zentrale Einzelraumsteuerung, mit der für jedes Klassenzimmer die gewünschte Temperatur und die Heizzeiten eingestellt werden können. Zu Beginn des „Köpfchen statt Kohle“-Projekts hatten die Schüler das bereits einmal recherchiert. Dass aber tatsächlich jeder Raum einzeln gesteuert werden kann, das wusste auch die Klassenlehrerin nicht. Weil die Zeit für das kleine Unterrichtsprojekt zum Thema Energie jetzt gleich vorbei ist, reicht es nur noch für den Hinweis, dass die Klasse im nächsten Schuljahr mit „Köpfchen statt Kohle“ lernen könnte, die Heizungs- und Energiesteuerung für ihren Klassenraum selbst zu übernehmen. Dann richtet sich die Motivation der Schüler wieder auf eine andere noch offene Herausforderung: Am liebsten würde ein Dutzend von ihnen nach dem Unterricht noch in der Schule bleiben, um abwechselnd zwei Stunden auf dem Energierad zu strampeln, bis das Wasser im Topf kocht. Sie würden es sich gerne beweisen…

Der „Köpfchen statt Kohle“-Projektleiter bespricht sich nach dem Unterrichtsprojekt noch mit dem Schulleiter. Ob man mit der Klasse im kommenden Schuljahr nicht den Versuch machen könnte, die Heizungssteuerung und das Energiemanagement in die Hände der Schüler zu geben. Damit nicht weiter energieverschwendend gelüftet wird und die Schüler thermodynamische Zusammenhänge zu verstehen lernen. Warum nicht, meint der Schulleiter.

schlechte_luft_02_webIn der Carl Humann-Grundschule müssen Schüler und Lehrer die Heizungsthermostate noch von Hand einstellen. Hier sind es 14 Viertklässler, die im Lebenskunde-Unterricht bei Kathrin Hillers das Energiethema gewählt haben. Von „Köpfchen statt Kohle“ mit CO2-Messgeräten ausgestattet, haben sie getestet, wie man energiebewusst und dennoch effektiv lüftet, damit der CO2-Gehalt in der Raumluft des Klassenzimmers nicht zu hoch wird. Bis 800 ppm gilt die Luft als gut. Ab 1.500 ppm steht die Warnampel schon auf „rot“. Dieser Wert wird in einer Klasse mit ungefähr 20 Schülern oft schon nach einer halben Stunde erreicht.

Den Viertklässlern reicht es nicht, für sich selbst herausgefunden zu haben, wie sie durch regelmäßiges 3-Minuten-Querlüften in den Stundenpausen und eine etwas größere Lüftungsaktion während der längeren Hofpause den CO2-Wert wieder in den grünen Bereich bekommen. Sie wollen alle anderen Klassen auch an ihren Erkenntnissen beteiligen und erreichen, dass dort im Winter richtig gelüftet wird, ohne Energie zu verschwenden. Natürlich gehört dazu auch, die Heizungen während der Lüftungspausen auszudrehen – vor allem in der längeren Lüftungsphase während der Hofpause.

saeule_01Um Aufmerksamkeit für das Thema zu erzeugen, haben die Viertklässler vor den Winterferien eine über zwei Meter hohe Litfaßsäule gestaltet und in drei Sektoren Informationen zum Thema textlich und bildlich dargestellt (siehe Foto). Im untersten Abschnitt der Säule wird das Thema mit Comics für die jüngeren Schüler aufbereitet, während im darüber liegenden die 4.- bis 6.-Klässler schon etwas sachlicher angesprochen werden. Ganz oben stehen dann Informationen für Lehrer und Eltern in einem „erwachsenengemäßen“ Stil. Die Säule wird demnächst im Schulhaus aufgestellt. Anschließend gehen immer zwei Viertklässler der Lebenskunde-Gruppe in andere Klassen, um über den Zielkonflikt zwischen Energiesparen und Frischluft in den Klassen zu informieren und Handlungsanleitung zu geben. Dazu bekommt jede Klasse auch für mindestens eine Woche ein CO2-Messgerät, das vom „Köpfchen statt Kohle“-Projektleiter ausgesucht wurde, weil es ein relativ großes Anzeigedisplay hat und deshalb von allen Schulbänken aus eingesehen werden kann. Zehn solcher Geräte stellt „Köpfchen statt Kohle“ der Schule zur Verfügung, vier weitere Geräte hat sich die Schule aus eigenen Mitteln angeschafft.

litfasssaeule_04Unser Bild: Die Viertklässler im Lebenskunde-Unterricht wollen zusammen mit ihrer Lehrerin Kathrin Hillers durch eine Litfaßsäule auf das richtige Lüften im Winter aufmerksam machen.

Über Richard Häusler

Projektleiter des Projekts "Köpfchen statt Kohle" im Auftrag des Bezirksamts Pankow
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